Als Metzger ein erfolgreiches Startup gründen

Auf lange Sicht gesehen sinkt die Zahl der Metzgereien ebenso wie der durchschnittliche Fleischkonsum. Aber es scheint einen Gegentrend zu geben: Bio-Qualität, hohe Tierwohl-Ansprüche oder spezielle Reifungstechniken erzeugen äußerst hochwertige Angebote. Sogar Online-Metzgereien entstehen – Gründergeist in der Fleischereibranche.
Veröffentlicht am 15.06.2022
Als Metzger ein erfolgreiches Startup gründen

Findige Köpfe kommen auch in einer traditionellen Branche wie dem Fleischereihandwerk immer wieder auf neue Ideen. Das Ergebnis muss kein Startup sein, man kann auch als traditionelle/r Betriebsnachfolger/in Neuland betreten. So wie beispielsweise Christine und Dirk Ludwig aus Schlüchtern, beide Metzgermeister. Die vierte Generation macht aus der Traditionsmetzgerei die Fleischerlebniszentrale „Steakschaft“ und baut die mittlerweile überregional bekannte Marke „Der Ludwig“ auf. Natürlich verkaufen sie ebenso online wie Katharina Koch aus Calden. Sie hat 2020 den Hessischen Gründerpreis gewonnen und die Landfleischerei um den Onlineshop „Wurstehimmel“ ergänzt. Die Wurst aus dem Wurstehimmel lässt sich übrigens auch über die „MeatApp“ aus Gießen bestellen, die lokalen Metzgern einen einfachen Weg in den Onlinehandel bietet und hochwertige Produkte bei hohem Tierwohl und fairen Preisen für Kunden und Schlachter ermöglichen will. Im Hunsrück verkauft das unter anderem von Fleischer Tim Imboden gegründete Unternehmen „Heimeat“ Fleischpakete von Rindern und Schweinen, die ganzjährig artgerecht auf der Weide bzw. auf Stroh gehalten, zur Schlachtung nicht weiter als einen Kilometer transportiert und danach zu 100 Prozent verwertet werden. Einem ähnlichen Ansatz folgt das Unternehmen „Grutto“, früher bekannt als „Kaufnekuh“. Und der Insektenburger der „BugFoundation“ wurde zwar nicht von Metzgern entwickelt, gehört aber mittlerweile zu Kupfer Innovative Food GmbH. Die Kupfer-Gruppe wurde 1906 als Metzgerei in Heilsbronn gegründet, gehört heute mit über 1000 Beschäftigten zu den Großen in der Wurstbranche und setzt seit 2014 auch auf vegane Produkte.

Dass man sich von den oft reißerischen Meldungen über Startups nicht blenden lassen sollte ist klar. Aber die ausgewählten Beispiele zeigen, dass Bewegung in der Branche ist. Metzgermeister und -meisterinnen sind, wie alle selbstständigen Handwerksbetriebe, seit jeher eben auch Unternehmer und Unternehmerinnen. Aber natürlich verändern sich Unternehmen und ein Onlineshop muss zwar die gleichen wirtschaftlichen Regeln beachten wie eine Metzgerei, funktioniert aber trotzdem nach anderen Regeln. Und nicht jede Idee setzt sich durch, verschiedene Startups aus dem Paleo-Trend, einer angeblich an der Steinzeit orientierten, sehr fleischlastigen Ernährung, sind längst wieder Geschichte. So vielfältig wie Geschäftsideen sind, kann es kein Generalrezept für ein erfolgreiches Lebensmittel-Startup geben. Aber wichtige Grundregeln, die aus einer Idee einen Erfolg machen können.

1) Fokussiere Dich auf deine Idee. Ohne eine gute Idee braucht es kein Startup. Es muss nicht immer völliges Neuland sein – viele Startups sind mit relativ kleinen Neuerungen erfolgreich. Manchmal reicht es schon, die Vermarktung der eigenen Gänse neu aufzustellen und nicht ausschließlich auf das Weihnachtsgeschäft zu setzen, sondern im Sommer Grillwürste aus Gänsefleisch anzubieten. Mit dieser Idee haben zwei Jugendfreunde aus der Region Vechta, Landwirt und Metzgermeister, seit 2012 etliche Preise abgeräumt und Fördergeld erhalten. Sie sind so erfolgreich, dass 2020 eine moderne Vermarktung für Rind- und Schweinefleisch ergänzt wurde.

2) Prüfe die Idee gründlich. Ideen gibt es viele, gescheiterte Startups ebenso. Nicht jede gescheiterte Idee war schlecht, manchmal war nur der Zeitpunkt nicht passend, es fehlten nötige Kenntnisse oder Ressourcen. Bevor Geld in eine Gründung, Anschaffungen oder sonstige Schritte zur Umsetzung einer Geschäftsidee investiert wird, sollte der mögliche Markterfolg gründlich geprüft werden. Gibt es Unternehmen mit ähnlichem Geschäftsmodell? Wer kann meine Kundschaft sein und hat das Geld und/oder die Notwendigkeit für mein Produkt oder meine Dienstleistung? Was ist nötig, um meine Idee umzusetzen und wie kann ich das finanzieren?

3) Berate dich. In der Prüfungsphase ist es sinnvoll, sich Beratung zu holen. Da kann das eigene (familiäre) Umfeld erster Anlaufpunkt sein. Wer studiert sollte an der Hochschule nach Beratungsmöglichkeiten suchen. Handwerkskammern sind ebenfalls erste gute Anlauforte, bevor die oft teure Hilfe spezialisierter Beratungsunternehmen in Anspruch genommen wird. Auch in beruflichen Netzwerken wie Xing oder LinkedIn lassen sich Sparringspartner finden. Achte aber auch darauf, deine Idee zu schützen und nicht zu viel zu früh öffentlich werden zu lassen.

4) Prüfe dich selbst. Die Gründung eines neuen Unternehmens ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Dazu braucht es nicht nur das nötige Fachwissen, sondern auch eine passende Persönlichkeit. Nicht jede oder jeder ist dazu geboren, vor Investoren oder Publikum sein Unternehmen anzupreisen – auch das kann aber bei einer Unternehmensgründung nötig werden. Hier kann die Integration von Partnern helfen, die Belastungen auf mehreren Schultern zu verteilen und mehr Kompetenzen an Bord zu holen. Ein Startup bedeutet meist viel Arbeit, gerade für Menschen, die sowieso schon in einem Betrieb mitarbeiten oder diesen übernehmen wollen. Das erfordert ein hohes Maß an Durchhaltevermögen ebenso wie die Bereitschaft, noch mehr zu arbeiten als ohnehin schon. Und die Familie muss auch mitziehen.

5) Achte auf deine Ressourcen. Wer auf den traditionellen Familienbetrieb als Grundlage für das moderne Startup setzt, ist oft dank Immobilienbesitz gut aufgestellt für die Finanzierung einer Unternehmensgründung. Aber hier sollte nicht leichtsinnig agiert werden, ein Scheitern des Startups darf den bestehenden Betrieb nicht gefährden.