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Mit Wiedereinsteiger:innen gegen den Fachkräftemangel

Gutes Personal ist und bleibt knapp. Deshalb ist es sinnvoll, eingetretene Pfade bei der Personalsuche zu verlassen und sich auf andere Zielgruppen als Absolventinnen und Absolventen zu konzentrieren. Zum Beispiel Menschen, die nach einer Pause wieder in den Beruf zurückkehren möchten.
Veröffentlicht am 27.10.2022
Mit Wiedereinsteiger:innen gegen den Fachkräftemangel

So eine Pause im Lebenslauf kann durch verschiedene Entscheidungen entstehen, nicht nur durch Erziehungszeiten bei Frauen – und zunehmend auch bei Männern. Immer häufiger nehmen Menschen eine Auszeit, weil sie Angehörige pflegen müssen. Oder aus persönlichen Gründen, Sabbatjahr etwa oder vorübergehende Umorientierung auf eine andere Tätigkeit. Auch längere Krankheiten können dazu führen, dass Menschen den eingeschlagenen Berufsweg verlassen und später wieder darauf zurückkehren wollen. Was auch immer der Grund sein mag, Wiedereinsteiger und -einsteigerinnen sind eine Zielgruppe mit spezifischen Voraussetzungen, von denen Unternehmen sehr profitieren können.

Das fängt mit der in der Regel sehr bewusst getroffenen Entscheidung für den Wiedereinstieg an. Denn so eine bewusste Entscheidung ist ein deutlicher Unterschied zum „in der Spur bleiben“, das gar nicht so wenige Menschen vom Abitur über das Studium zum Berufseintritt und in der weiteren Karriere praktizieren. Wer als Konsequenz einer freien und wohl abgewogenen Entscheidung den Wiedereinstieg in den Beruf angeht, bringt oft viel klarere und realistischere Perspektiven und Ziele mit. Zudem haben sich solche Menschen meist genau mit ihren eigenen Kenntnissen und Fähigkeiten auseinander gesetzt und werden deshalb nicht so leicht Opfer von Selbstüberschätzung.

Wer seine Karriere unterbricht, galt früher – und gilt auch heute oft noch – als eher problematisch. Diese Einstellung sollte geändert werden, denn viele Untersuchungen und Erfahrungen weisen darauf hin, dass solche Menschen sich oft höchst interessante Fähigkeiten erworben haben. Meist Soft Skills, die heute ebenso wichtig, wenn nicht wichtiger sind als immer rascher veraltendes Fachwissen. Eltern haben nach mehreren Jahren Kindererziehung und -betreuung meist eine sehr hohe Stressresistenz, gute Selbstorganisation und hohe Verantwortung entwickelt. Wer längere Zeit wegen einer persönlichen Krise oder einer Krankheit aus dem Beruf ausgestiegen war, kommt oft als ausgesprochen starke Kämpferin oder Kämpfer mit hohem Selbstbewusstsein, großem Leistungswillen und sehr guter Kompetenz im Management und in der Bewältigung von Krisen zurück. Wer in der Auszeit etwas ganz Neues gelernt und erprobt hat, demonstriert einen offenen, wachen Geist und Lernbereitschaft. Und selbst wer „nur“ ein Sabbatical hinter sich gebracht hat, kommt daraus normalerweise enorm motiviert, bestens erholt, leistungsbereit und mit viel frischer Power zurück. Und meist auch mit Offenheit für neue Situationen und Ansichten. Für solche Wiedereinsteiger:innen mit nur kurzer Auszeit spricht zudem, dass sie viel leichter zu integrieren sind als Menschen, die länger fort waren oder auch als viele gänzlich neu rekrutierte Fachkräfte.

Denn bei allen zusätzlich erworbenen Soft Skills ist es doch auch so, dass der Wiedereinstieg nach einer beruflichen Pause auch besondere Anforderungen mit sich bringt. Diese sind umso höher, je länger die Pause war – was aber Personalabteilungen nicht schrecken sollte, denn dieses Problem lässt sich mit einem gut strukturierten und angepasstem Onboarding ohne allzu große Schwierigkeiten lösen. Und die Integration von neuem Personal hat immer besondere Anforderungen. Sehr häufig sind es bei Wiedereinsteiger:innen nicht so sehr spezifische Fachkenntnisse, die aufgefrischt werden müssen, sondern eher Digitalisierungsthemen oder Unternehmensprozesse. Gut aufgestellt sind hier Personalabteilungen, die sowieso schon auf Individuen fokussiert arbeiten und beispielsweise durch regelmäßige Kommunikation Weiterbildungsbedarf und andere Veränderungen und Wünsche in der Belegschaft registrieren. Denn sie haben bereits das Mindset und die Toolbox, um auch Wiedereinsteiger:innen schnell und gewinnbringend für beide Seiten zu integrieren. Für manche Gruppen von Wiedereinsteiger:innen – etwa wegen Arbeitslosigkeit oder Krankheit – gibt es zudem Förderprogramme, die finanzielle und/oder fachliche Unterstützung bieten.

Um für Wiedereinsteiger:innen attraktiv zu sein hilft oft die Bereitschaft, auch Teilzeitstellen anzubieten. Wenn Sie gezielt nach Wiedereinsteiger:innen suchen, dann sollten Sie diese Zielgruppe auch in Ihrer Kommunikation deutlich erkennbar ansprechen. Übrigens kann das auch äußerst positiv auf das Employer Branding und auch auf das Recruiting von Absolvent:innen einzahlen – denn Ihr Betrieb positioniert sich so als attraktiver Arbeitgeber. Gerade bei Millennials und noch jüngeren Zielgruppen sind Auszeiten oft erwünscht und fest vorgesehen im eigenen Lebensentwurf – wer demonstriert, dass solche Modelle im eigenen Unternehmen positiv gesehen werden, kann junge Menschen leichter ansprechen und binden. Und schließlich sei auch noch dran erinnert, dass vermeintlich bereits recht alte Beschäftigte – beispielsweise in der zweiten Hälfte des fünften Lebensjahrzehnts noch ziemlich viel Zeit bis zur Rente haben. Ein Mensch im Alter von 47 Jahren wird voraussichtlich noch rund 20 Jahre arbeiten.