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Mitarbeiterbindung statt Mitarbeitersuche

Beschäftigte im Unternehmen zu halten ist ein wichtiger Teil guter Personalpolitik. Denn die Gleichungen jung = leistungsfähig und alt = langsam sind in ihrer Pauschalität schlichtweg Quatsch. Natürlich arbeiten Menschen mit 30 anders als mit 50, aber für Unternehmen gibt es gute Gründe und einfache Möglichkeiten, an Beschäftigten festzuhalten.
Veröffentlicht am 27.10.2022
Mitarbeiterbindung statt Mitarbeitersuche

2019 waren laut einer amtlichen Statistik 44,3 Prozent der Beschäftigten seit mindestens zehn Jahren beim aktuellen Arbeitgeber angestellt. 2009 lag dieser Wert allerdings noch bei 47,5 Prozent. Aus der Statistik geht nicht hervor, ob sich diese Veränderung aus häufigerer Kündigung älterer Beschäftigter durch ihr Unternehmen speist, oder daraus, dass die Bindung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an ihren Betrieb schwächer wird. Aber klar ist: Es lohnt sich, in das Halten von Beschäftigten zu investieren.

Halten ist billiger als suchen

Es fängt schon damit an, dass die Personalsuche immer aufwändiger, langwieriger und damit teurer wird. Fachkräftemangel und demographische Entwicklungen zeigen sich hier immer deutlicher. So wird in den kommenden Jahrzehnten laut Arbeitsagentur die Zahl der Personen im Erwerbsalter in Deutschland von 50 Millionen auf etwa 36 Millionen zurückgehen. Wer seine Beschäftigten an sich bindet, hat weniger Aufwand für die Suche nach neuem Personal und hält seine Betriebskosten niedrig. Es ist wie mit den Kunden: Aufträge innerhalb bestehender Kundenbeziehungen sind in der Regel einfacher und günstiger zu erhalten als die Neukundenakquise.

Schneller schaffen oder die Abkürzung nehmen?

Auch ihr Erfahrungswissen spricht für die langjährig Beschäftigten, selbst wenn dieses in manchen Bereichen hinter dem Wissen und den Kenntnissen junger Nachwuchskräfte zurückbleiben mag. Natürlich brauchen Unternehmen Personal mit den neuesten technologischen Fähigkeiten, aber sie müssen sich auch die bestehenden Kenntnisse erhalten. Die Mischung macht‘s. Denn der technologische Wandel geschieht kontinuierlich und deshalb sind auch die Kenntnisse und Fähigkeiten der mittleren und älteren Generation im Betrieb wert, erhalten zu bleiben. Und schließlich stimmt ja auch, dass die jungen Beschäftigten vieles schneller schaffen, aber die Älteren dafür die Abkürzungen kennen.

Prävention statt Reha

Aber wie schafft ein Unternehmen es, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langjährig zu halten? Dafür gibt es verschiedene Ansätze, von Kommunikation über Weiterbildung bis zu Prävention. Welcher der richtige ist, liegt am jeweiligen Betrieb oder Team. Geht es um anstrengende körperliche Tätigkeiten, lohnt sich die Kontaktaufnahme mit Fachleuten für Prävention. Die können von der Berufsgenossenschaft kommen, von spezialisierten Beratungsunternehmen oder aus dem Gesundheitsbereich. Eine Untersuchung der Arbeitsplätze und Beschäftigten wird offenlegen, welcher Verschleiß droht, und eröffnet die Möglichkeit für zielgerichtete Vorbeugung. So hat beispielsweise der Anbaubetrieb Sachsenobst mit seinen rund 400 Beschäftigten (Altersdurchschnitt 46 Jahre) an den Sortier- und Packstationen Venenmatten ausgelegt, die für bessere Durchblutung und warme Füße sorgen, und höhenverstellbare Arbeitstische eingeführt. Beides soll den im Betrieb häufigen Muskel- und Skeletterkrankungen vorbeugen. Auch in vielen Büros gehören höhenverstellbare Schreibtische – an denen es sich auch mal im Stehen arbeiten lässt – schon zum Standard. Ebenso verbreiten sich Gesundheitstage oder -kurse immer weiter, sei es im Betrieb oder als Kooperation mit Fitnessstudios in der Nähe. Von präventiven Maßnahmen können Unternehmen nicht nur mit einer besseren Mitarbeiterbindungen profitieren, sondern auch durch niedrigere Krankheitsquoten. Mittlerweile gibt es im betrieblichen Gesundheitsmanagement so viele Dienstleister, dass eine Umsetzung auch für kleine und mittlere Betriebe machbar ist.

Altersgerecht fortbilden

Ein weiterer wichtiger Faktor, um die Belegschaft zu halten, ist die Weiterbildung. Auch jenseits der 50er-Altersgrenze sollten Beschäftigte zu Fort- und Weiterbildungen geschickt werden, schließlich sind sie dann ja noch immer 15 bis 17 Jahre von der Rente entfernt. Wer beklagt, dass ältere Beschäftigte veraltete Kenntnisse haben, hat oft nur selbst versäumt, die eigene Belegschaft kontinuierlich fortzubilden. Aber klar ist auch, dass alle Beschäftigten irgendwann ein Alter erreichen, in dem sich größere Weiterbildungen vermutlich nicht mehr auszahlen werden. Wer in seiner Personalplanung diese Entwicklung vorwegnimmt, kann Beschäftigte gezielt auf neue Verwendungen vorbereiten, die auch in den letzten Jahren vor der Rente noch zu ihrem Qualifikationsprofil passen. Regelmäßige grundlegend neue Herausforderungen, etwa durch eine neue Tätigkeit oder einen neuen Bereich im Betrieb, sorgen mit dafür, dass Produktivität und Motivation der Beschäftigten hoch bleiben. Voraussetzung dafür ist kontinuierliche Personalentwicklung unter Einbeziehung der Angestellten.

Über Perspektiven sprechen

Schließlich gehört auch offene Kommunikation zur Mitarbeiterbindung. Diese führt meist zu hoher Arbeitszufriedenheit und gutem Betriebsklima – zwei wichtige Voraussetzungen dafür, dass Beschäftigte sich nicht vom Unternehmen abwenden. Personalabteilungen sollten regelmäßig das offene Gespräch suchen und dabei das Thema „Altern“ aktiv angehen. Denn es ist wahrscheinlich, dass sie offene Türen einrennen und sich etwa herausstellt, dass Beschäftigte eigene und klare Vorstellungen davon haben, wie sie die letzten ein bis eineinhalb Jahrzehnten am Arbeitsplatz gestalten wollen. Das passt vielleicht gut zu den Plänen des Unternehmens und ist deshalb wert, gehört zu werden. Denn ältere Beschäftigte sind immer öfter auch in einer komfortablen Verhandlungsposition: Wenn die Kinder aus dem Haus sind, dieses abbezahlt ist und der Partner oder die Partnerin auch arbeitet, wird immer mehr Menschen ihre Freiheit und persönliche Lebensgestaltung wichtiger als die Karriere. Und das kann durchaus dazu führen, dass man mit 55 oder 60 nicht mehr einfach so weitermachen will, wie in den 25 oder 30 Jahren davor. Finden Beschäftigte in dieser Situation ehrliches Interesse und Gehör, so kann das einer Abwendung vom Betrieb vorbeugen. Und im besten Fall zu Ideallösungen führen, beispielsweise indem ein Arbeitsplatz aufgeteilt wird zwischen einem alten Menschen, der nicht mehr so viel arbeiten will, und einem Jungen, der oder die nur eine Teilzeitstelle sucht. Oder die offene Kommunikation führt dazu, dass eine für beide Seiten attraktive Regelung für Altersteilzeit oder Vorruhestand gefunden wird.